Gibt es in Deutschland bald keine Hebammen mehr?

Gibt es in Deutschland bald keine Hebammen mehr?

Massiv gestiegene Haftpflichtprämien zwingen viele Hebammen zum Aufgeben. Schließende Kreißsäle und ein Mangel an intensiver Betreuung vor, während und nach der Geburt sind die Folge.

Gestiegene Haftpflichtprämie für Hebammen

Zum 1. Juli 2015 ist die Haftpflichtprämie für freiberufliche Hebammen erneut um bis zu 23 Prozent gestiegen. Freiberuflich in der Geburtshilfe tätige Hebammen müssen dann jährlich 6.274 Euro für ihre Haftpflichtversicherung bezahlen. Als einer der Gründe für das massive Ansteigen der Haftpflichtprämien wird eine ab 1. Januar 2016 in Kraft tretende Regelung gesehen, sagt Katharina Jeschke vom Deutschen Hebammenverband (DHV). Ab diesem Zeitpunkt können die Kranken- und Pflegekassen nicht mehr wie bisher die Behandlungskosten für ein geschädigtes Kind von der Hebamme bzw. der Haftpflichtversicherung zurückfordern. Der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) argumentiert lapidar damit, dass ja keiner gezwungen sei, freiberuflich zu arbeiten.

Kreißsäle müssen schließen

„Ein Ende der Prämienspirale ist nicht abzusehen“, sagt Martina Klenk, Präsidentin des DHV. „Wir betrachten mit Sorge, wohin die Geburtshilfe in Deutschland steuert. Wenn überall Hebammen und auch freiberufliche Gynäkologinnen und Gynäkologen fehlen, gibt es keine sichere Geburtshilfe mehr für Frauen und ihre Kinder“, so Martina Klenk. Obwohl die Technik in den Kreißsälen immer ausgefeilter wird, kann sie doch medizinisches Personal nicht ersetzen. Für Gebärende ist die intensive Betreuung durch eine Hebamme und die persönliche Beratung vor, während und nach der Geburt der wichtigste Faktor für einen guten Geburtsverlauf. In vielen Regionen Deutschlands besteht schon jetzt keine Wahlfreiheit des Geburtsortes mehr für Mütter. Ein weiterer Rückgang freiberuflicher Geburtshilfe führt nicht nur dazu, dass weniger Geburten in Geburtshäusern oder zu Hause stattfinden können, sondern auch dazu, dass in vielen Kliniken die Kreißsäle schließen müssen. Nicht alle Kliniken verfügen über fest angestellte Hebammen. Viele Kliniken, die mit freiberuflichen Hebammen arbeiten, mussten zeitweise die Geburtshilfe einstellen oder komplett schließen.

Hebammen sind unverzichtbar

„Es ist ein wunderschöner Beruf, aber sehr hart“, sagt Katja Salatzki, die ein Geburtshaus in Berlin leitet. Sie und ihre Kolleginnen sind jederzeit ansprechbar, falls eine der betreuten Schwangeren schon früher ihr Kind bekommt oder falls es nach der Geburt Probleme mit dem Stillen gibt, der Nabel des Babys nicht verheilt oder die Mutter in eine Wochenbettdepression fällt. „Ein Kind zu gebären ist eine existenzielle Erfahrung, für die Familien Hilfe benötigen“, sagt Salatzki. Niemand könne die Frauen so kompetent während und nach der Schwangerschaft betreuen wie Hebammen. „Sollen die Frauen mit entzündeten Brustwarzen künftig zum Kinderarzt gehen? Kann ihnen der Stationsgynäkologe beim Abstillen helfen? Das sind doch absurde Ideen.“

Auch aus rechtlichen Gründen kann auf den Berufsstand der Hebamme nicht verzichtet werden. Ein Arzt darf eine Geburt nicht mal bei einem Kaiserschnitt ohne Hebamme leiten. Andersrum darf jedoch eine Hebamme eine Niederkunft ohne einen Mediziner betreuen.

Fazit

Die 2014 beschlossenen Ausgleichszahlungen stellen bislang keine befriedigende Lösung für alle beteiligten Parteien dar. Ein Schiedsverfahren soll nun endgültig klären, wie mit der Situation umgegangen werden soll. Es bleibt zu hoffen, dass eine Lösung gefunden wird, mit der alle Beteiligten leben können und die vor allem eine gute Versorgung mit Hilfe rund um die Geburt sichert.

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