Die UN-Behindertenrechtkonvention schreibt ein inklusives Bildungssystem vor, doch die Umsetzung von Inklusion in der Bildung ist sehr mangelhaft.
Inklusion bedeutet, dass eine gleichberechtigte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben aller Menschen gewährleistet ist. Anders hingegen ist die Integration, die es einer Gruppe ermöglicht, innerhalb der Gesellschaft zu lernen bzw. zu arbeiten.
Im Artikel 24 der UN-Behindertenrechtskonvention ist geregelt, dass sich alle Mitgliedstaaten verpflichten, ein inklusives Bildungssystem auf allen Ebenen zu implementieren. Konkret bedeutet dies:
- dass Menschen mit einer Behinderung nicht vom allgemeinen Bildungssystem ausgeschlossen werden dürfen,
- dass alle Kinder einen gleichberechtigten Zugang zu Bildungseinrichtungen erhalten, dazu müssen angemessene Vorkehrungen getroffen und Unterstützung gewährleistet werden sowie
- dass der Unterricht inklusiv, hochwertig und unentgeltlich stattfinden muss.
Ein Hauptziel ist es, lebenspraktische Fertigkeiten und soziale Kompetenz zu vermitteln.
Inklusion kaum gelebte Realität
Je nach Bundesland werden mehr oder weniger Schüler inklusiv betreut und gleichberechtigte Abschlüsse erlangt. In diesem Beitrag wird die gesamtdeutsche Situation betrachtet. Wenn Sie konkrete Zahlen über die Situationen in den einzelnen Bundesländern erfahren möchten, schauen Sie am besten in die Studie der UNESCO vom Oktober 2015.
Eltern sehen die Inklusion unterschiedlich. So will nur ein Drittel der Eltern, das ein Kind ohne Behinderung hat, eine inklusive Bildung. Hingegen befürworten fast alle Eltern, die ein Kind mit einer Behinderung haben, die Inklusion. Allerdings bewerten die meisten Eltern das Lernumfeld in inklusiven Schulen besser, als Eltern an „normalen“ Schulen.
Ressourcen für die Inklusion
In der Bundesrepublik stehen Mittel zur Verfügung, um eine Inklusion zu ermöglichen. Allerdings gibt es kein Konzept für dessen Nutzung. So arbeiten in diesem Punkt das Bildungssystem und das Sozialsystem nur mäßig zusammen. Eine Folge ist, dass es kaum Infrastrukturen für ein gemeinsames Lernen gibt. In der Bundesrepublik müssen Ausbildungs- und Schulpläne, Prüfungen, Betreuung und Finanzierung in Einklang gebracht werden.
Ein weiteres Problem sind die unzureichenden Inklusionskompetenzen und -erfahrungen der Lehrkräfte. Dabei lässt sich feststellen, dass umso höher der Bildungsabschnitt ist, desto weniger erhalten Lehrkräfte eine entsprechende Ausbildung bzw. Weiterbildung. Dementsprechend meinen 41 Prozent der Lehrer, Kinder mit einer Behinderung gehören auf eine Förderschule.
Im Vergleich zu den Vorjahren werden heute mehr Kinder inklusiv betreut. Auf der anderen Seite ist die Zahl der Kinder, die in Sonderschulen unterrichtet werden, nicht gesunken. Grund dafür ist eine Änderung im Diagnoseverfahren zur Feststellung einer Behinderung. So wird heute ein Lernproblem sehr schnell zu einer Lernbehinderung. Somit steigt der sonderpädagogische Förderbedarf bei Kindern. Auch werden sie vorschnell an Sonderschulen verwiesen, statt den Versuch der Inklusion zu unternehmen.
Inklusion in der Schule und frühkindliche Förderung
Insgesamt hatten 6,8 Prozent der Schüler im Schuljahr 2013/14 einen sonderpädagogischen Förderbedarf. Von ihnen besuchen 31 Prozent eine allgemeine Regelschule. Etwa 70 Prozent von ihnen erreichen keinen Hauptschulabschluss, von diesen erreichen 61 Prozent allerdings einen Abschluss unterhalb der Hauptschule.
In Kindergärten verhält es sich leicht anders. Hier sollen alle Kinder grundsätzlich gemeinsam in Gruppen gefördert werden. Kinder werden, je höher die Bildungsstufe ist, weniger inklusiv betreut. So ist die Inklusionsrate im Kindergarten bei fast zwei Dritteln aller Kinder am höchsten und nimmt im Sekundarbereich 1 auf weniger als ein Drittel ab. Inklusion findet hauptsächlich an Haupt- und Grundschulen statt. Besonders Gymnasien beteiligen sich wenig an inklusiven Möglichkeiten, da hier der erfolgreiche Abschluss angezweifelt wird.
Auch in der Ausbildung gibt es kaum Integration. So werden beispielsweise extra Ausbildungsgänge geschaffen, an denen etwa 10.000 Jugendliche teilnehmen. An Hochschulen gibt es keine Inklusion. Hier müssen lediglich Unterstützungsangebote gegeben werden. Allerdings werden diese in der Realität nur mäßig umgesetzt.
Ist eine vollständige Inklusion möglich?
Die Praxis hat an einigen Schulen gezeigt, dass Inklusion mit den derzeitigen Modellen nicht möglich ist. Beispielsweise sind Fremdsprachen, Deutsch oder Mathe grundlegende Fächer, die erfolgreich abgeschlossen werden müssen. Kinder mit sonderpädagogischem Bedarf können hier trotz separater Förderung nicht immer Schritthalten. Selbst „normale“ Kinder haben hier schon Probleme.
In der Bundesrepublik werden die Jugendlichen ausgebildet statt gebildet, da das Schulsystem sich an den wirtschaftlichen Bedürfnissen orientiert. Eine echte Inklusion ist dabei nur schwer möglich, wenn die Leistungsgesellschaft im Vordergrund steht. Weitere Probleme sind die Vorurteile. Kinder erkennen keine Unterschiede untereinander, diese stellen sich erst mit dem älter werden ein. Demnach prägt sich eine Klassifizierung erst später aus und wird durch den mangelnden Kontakt verschiedener Menschen zueinander verstärkt.
Bis die UN-Behindertenrechtskonvention in der Bundesrepublik umgesetzt ist, wird noch einige Zeit vergehen. Auf den Weg dahin ist es wichtig, dass sich Eltern ebenfalls für eine Inklusion einsetzen.