PC-Spielen als Therapie

Computerspielen als Therapie für verschiedene Erkrankungen

Wusstet ihr, dass Computerspielen auch Erkrankungen lindern oder sogar heilen kann? „Zocken“ als Therapie ist nicht neu, aber immer noch relativ unbekannt.

Die meisten Menschen bringen die Begriffe Computer– oder Videospiel bestimmt spontan mit Egoshooter, Ballerspiele, Super Mario und Ähnlichem in Verbindung. Und im Zusammenhang mit Therapie wohl eher durch übermäßiges Spielen krank gewordene Zocker, die am Bildschirm verhungern oder in die Psychiatrie mussten.

Gefahren von Computerspielen

In den Medien wird immer wieder in regelmäßigen Abständen über Waffen- und Kriegsspiele an Computer oder Konsole geschrieben. Allzu oft tauchen diese „Fachartikel“ nach einem Amoklauf auf. Dabei wird immer wieder krampfhaft versucht, einen Zusammenhang zwischen diesen Gewalttaten und der Leidenschaft der Amokläufer für PC-Games zu finden.

Allerdings ist es noch nicht schlüssig bewiesen, dass es diese Kohärenz auch wirklich gibt. Oft genug sind diese Amokläufer schon im Vorfeld psychisch belastet. Und vielleicht kann dann so ein Spiel der Auslöser sein. Aber wenn man bedenkt, wie viele Millionen Menschen solchen Spielvergnügen nachgehen, müsste es auch entsprechend mehr darauf zurück zu führende Gewalttaten geben. Ich spiele selbst seit zwölf Jahren WOW und hatte bisher noch nie auch nur ansatzweise das Bedürfnis, jemanden über den Haufen zu schießen … ich denke, bei den meisten Spielern wird das nicht anders sein.

Games for Health

Weniger bekannt dürfte sein, dass zunehmend zur Behandlungsunterstützung bei besonderen Heilverfahren Computerspiele als Therapie eingesetzt werden. Für manche gesundheitliche Beschwerden gibt es dazu sogar speziell auf ein Krankheitsbild abgestimmte Programme.

Die gesamte Bandbreite der verfügbaren Apps und digitalen Behandlungsmethoden hier darzustellen würde zu weit führen, so groß ist mittlerweile das Angebot.

Hilfe gegen Amblyopie bei Kindern

Wer kennt aus seiner Schulzeit nicht vielleicht Schul- oder Klassenkameraden mit einer einseitig abgedeckten Bille oder einem mit Pflaster zugeklebten Auge. Diese Methode zur Behandlung der ungleichen Sehstärke der Augen wird mittlerweile testweise mit einem binokularen Spiel auf dem iPad umgesetzt. Die Ergebnisse dieser Studie vom University of Texas Southwestern Medical Center sind sehr vielversprechend. Allerdings kann eine komplette Herstellung der Sehkraft des schwächeren Auges noch nicht garantiert werden, da die Studie noch nicht abgeschlossen ist und Langzeiterfolge noch nicht erforscht sind. Weitere Angebote gibt es beispielsweise aus Dresden mit der caterna Sehschule.

Verschiedene Krankenkassen bieten bei digitalen Behandlungsmethoden per App oder Internet ein sogenanntes „App auf Rezept“-Programm an. Nachfragen lohnt sich in jedem Fall!

Virtuelles Klavierspiel gegen Schlaganfall-Folgen

Nach einem Schlaganfall ist häufig eine Körperseite von Lähmung oder zumindest mangelnder Bewegungskoordination betroffen. Um die Grob- und Feinmotorik wieder zu verbessern, wurden Patienten in einem Versuch unter anderem mit dem Computer-Tennisspiel „Plasma Pong“ für senkrechte und waagerechte Armbewegungen trainiert.

Weitere in der Studie eingesetzte Apps waren „Hummingbird Hunt“ zur Verfolgung von Flugrouten von Kolibris, „Virtual Piano“ zum Bewegungstraining einzelner Finger oder „Hammer Task“, bei dem ein virtueller Holzblock auf den Boden geschlagen werden muss. Im Verlauf dieser Studie wurde eine erhebliche Verbesserung der Bewegungsabläufe festgestellt.

Behandlung bei Demenz

Ein Thema, mit dem sich mittlerweile immer mehr Familienangehörige auseinandersetzen müssen, ist Demenz. Im Jahr 2014 stellte die WHO 66 Millionen Demenzkranke weltweit fest und prognostizierte bis zum Jahr 2030 eine Verdoppelung dieser Zahl.

Um den Lebensstandard Demenzkranker zu verbessern, werden inzwischen auch eLearning-Kurse für Senioren angeboten. Hierbei geht es neben der Verbesserung und dem längeren Erhalt der geistigen Fähigkeiten auch um die Koordination von Bewegungsabläufen. Zum Beispiel werden mittels der Spielekonsole Wii und einer Bowling-Simulation sowohl mentale als auch physische Agilität angeregt. Ziel ist es, die verbleibenden geistigen Ressourcen verstärkt zu aktivieren und dadurch länger zu erhalten.

Eine interessante Studie des Berliner Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung konnte in einer Studie aus dem Jahr 2013 nachweisen, dass durch die Anreize aus Computerspielen bei Senioren den Abbauprozessen erfolgreich entgegen gewirkt werden konnte.

Tetris gegen Traumata und Flashbacks

Rettungskräfte wie Feuerwehr, Katastrophenschutz oder Sanitäter werden im Laufe ihrer Berufslaufbahn immer wieder mit traumatischen Ereignissen konfrontiert. Zur Betreuung dieses Personenkreises gibt es speziell ausgebildete Psychologen. Die erfolgreiche Behandlung bzw. Verhinderung eines Traumas oder auftretender Flashbacks kann durch ein simples Computerspiel unterstützt werden: Tetris.

In einem Versuch konnte festgestellt werden, dass es traumatisierten Personen, die nach einem einschneidenden Erlebnis Tetris spielten, besser ging als solchen, die untätig herumsaßen. Durch das sofortige Spielen wird quasi verhindert, dass ein Katastrophenszenario im Gehirn abgespeichert und somit manifestiert wird.

Educational Computer Games und Serious Games

Vorrangiges Ziel vieler Spiele ist es, ein positives Feedback zu erzeugen. Durch Belohnungen oder erfolgreiche Gruppenereignisse und dem damit entstehenden Spielspaß entstehen sogenannte Flow-Erlebnisse, die als eine Art Idealisierung beschrieben wurden. Der Langzeiterfolg liegt im Erhalt der geistigen Fitness bis ins hohe Alter.

Für viele weitere gesundheitliche Leiden wie Depressionen, Parkinson, ADHS, Phobien oder Schmerztherapien werden immer häufiger Computerspiele oder VR-Szenarien herangezogen. Die spielerischen Handlungsabläufe können nicht nur zum reinen Lernen verwendet werden, sondern dienen oft auch zur Verbesserung des Seelenzustandes der Patienten.

Therapie nur mit Absprache eines Arztes

Digitalisierung hin oder her, alle diese Behandlungsansätze sind selbstverständlich nicht zur Selbsttherapierung gedacht. Ohne begleitende medizinische Fachkräfte können Erfolge niemals garantiert werden. Gesundheitsapps boomen generell gerade. Seien es sogenannte Aktivity-Tracker, medizinische Sammlungen oder die Erfassung von eigenen Gesundheitsdaten – die Patienten werden in der einen oder anderen Weise immer digitaler.

Selbstverständlich ist es ein Fortschritt, zum Beispiel bei chronischen Krankheiten wie Diabetes oder Allergien, nicht bei jedem Ereignis zum Arzt rennen zu müssen. Gesundheitsinformationen können per E-Mail oder über ein Portal mit dem behandelnden Facharzt ausgetauscht werden. In den USA ist man bereits so weit, dass die Therapie sogleich auf dem digitalen Fuße folgt. Allerdings ist es fraglich, ob das auch wünschenswert ist. Dort sind vor allem lange Anfahrtswege und der damit verbundene Zeitverlust der Grund für diese Entwicklung.

Aber die verfügbaren Apps sind auf jeden Fall eine wertvolle Hilfe und Entlastung für die Mediziner. Gerade bei der zunehmenden Alterung der Bevölkerung mit den immer häufiger werdenden Begleiterscheinungen kann sich eine medizinische Versorgung sehr gut auf diese digitalen Helferlein stützen.